In Lean Construction erkennen wir, dass jedes Produktionssystem Verschwendung beinhaltet. Unser Ziel ist es oft, diese Verschwendung zu identifizieren und zu reduzieren. So wie die Ausführung und das Design als Produktionssysteme konzipiert wurden, kann man argumentieren, dass auch die Forschung ein Produktionssystem ist. Anstatt einen Entwurf oder ein Produkt zu erstellen, ist das Ergebnis der Forschung neues Wissen.
Wenn die Forschung wirklich ein Produktionssystem ist, könnten wir dann die gleichen Lean-Methoden und -Werkzeuge anwenden, um Verschwendung zu vermeiden und die Effizienz zu verbessern?
Um dieser Frage nachzugehen, habe ich Literatur aus dem Bereich des Unternehmertums untersucht. Unternehmertum und Forschung haben viele gemeinsame Merkmale. Beide Unternehmungen erfordern eine Erkundung des Unbekannten, und die besten Ergebnisse sind schwarze Schwäne1. In Anlehnung an die erfolgreiche Anwendung des Business Model Canvas2 im Bereich des Unternehmertums schlage ich vor, eine A3-Vorlage als Hilfsmittel zu verwenden, um die Forschungsaktivitäten zu steuern. Die vorgeschlagene A3-Vorlage3 für die Forschung im Bereich Lean Construction ist unterteilt in: (1) Beitrag zum Wissen, (2) Beitrag zur Praxis, (3) Veröffentlichungen/Präsentationen, (4) Konzepte, (5) Methodik, (6) Nachweise, (7) Finanzierung, (8) Hochschulpartner, (9) Partner aus Industrie und Regierung, (10) Problemstellung, (11) Literatur, (12) Umfang und (13) Zeit.
Abbildung 1: A3-Vorlage für Lean Forschungsprojekte
Ziel der A3-Vorlage ist es, Komponenten aufzulisten, die für die Durchführung von Forschungsarbeiten auf Promotions- oder Masterniveau erforderlich sind, die sowohl zum Wissen als auch zur Praxis beitragen. Die A3-Vorlage ist durch das Business Model Canvas2 inspiriert. Ähnlich wie bei dem Business Model Canvas folgt auch die Methode der A3-Vorlage einem iterativen Prozess. Je weiter die Wissenschaftlerin in ihrem Projekt fortschreitet, desto klarer werden die Informationen für die einzelnen Komponenten. Die A3-Vorlage ermöglicht es ihr, das Forschungsprojekt in einem ganzheitlichen, onepager-Format zu sehen. Die Vorlage ist dafür in drei Abschnitte unterteilt: (1) Ziele, (2) Mittel und (3) Zwänge.
ZIELE:
Wenn eine Doktorandin oder Masterstudentin ihr Forschungsprojekt beginnt, muss sie sich Gedanken über die abschließenden Ziele der Forschung machen. Das Ziel besteht aus drei Komponenten: (1) Beitrag zum Wissen, (2) Beitrag zur Praxis und (3) Veröffentlichungen & Präsentationen. Bei den ersten beiden Komponenten geht es um die Relevanz der Forschung für die Wissenschaft und die Industrie. Die dritte Komponente betrifft die Art und Weise, wie die Wissenschaftlerin die Ergebnisse einem breiteren Publikum vermitteln wird. In der Regel ist eine Kombination aus Veröffentlichungen und Präsentationen* erforderlich, um das Wissen an das Zielpublikum weiterzugeben. Selbst wenn neues Wissen geschaffen wird, ist es nutzlos, wenn es nicht angemessen kommuniziert wird.
* beispielsweise durch Vorträge auf Fachkonferenzen. (Anmerkung des Übersetzers)
MITTEL:
Sobald die Ziele der Forschung festgelegt sind, muss die Wissenschaftlerin die „Mittel“ und "Zwänge" des Projekts berücksichtigen. Die „Mittel“ umfassen die Art und Weise, wie sie die Endziele erreichen will. Zu den Mitteln gehören: (1) die Konzepte, (2) die Methodik, (3) die Nachweise, (4) die Finanzierung, (5) die Hochschulpartner und (6) die Partner aus Industrie und Politik. Die Konzepte sind die philosophische Grundhaltung der Forschung. In Kuhns „The Structures of Scientific Revolution” wird die Idee der Forschungsparadigmen5 beschrieben. Jede Forschung wird innerhalb eines Paradigmas durchgeführt. Das Ziel besteht häufig darin, Beweise für das Paradigma zu finden oder Instrumente zu entwickeln, die mit dem Paradigma übereinstimmen. Gelegentlich findet ein Forscher Beweise, die einem bestehenden Paradigma widersprechen, was zu einer wissenschaftlichen Revolution führt5. Eine solche Erkenntnis ist sehr wertvoll, aber auch sehr unwahrscheinlich1. Die meisten Forschungsarbeiten finden innerhalb eines bestehenden Paradigmas statt und bauen auf diesem auf. Im Bereich von Lean Construction ist das vorherrschende Forschungsparadigma die Transformation/Flow/Value (TFV)-Theorie der Produktion6. Lean-Methoden wie der Last Planner und das Target Value Design4 wurden innerhalb des Paradigmas der TFV-Theorie entwickelt.
ZWÄNGE:
Die „Zwänge“ bestehen aus den Grenzen, innerhalb derer die Wissenschaftlerin arbeiten muss. Die Grenzen werden entweder von der Wissenschaftlerin selbst oder von externen Parteien gesetzt und umfassen: (1) die Problemstellung, (2) den Literaturkorpus, (3) den Umfang des Projekts und (4) die verfügbare Zeit. Eine klare Eingrenzung der Problemstellung, des Literaturkorpus und des Projektumfangs ermöglichen es der Wissenschaftlerin, die Untersuchung im Rahmen ihrer zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten durchzuführen. Diese Beschränkungen ermöglichen es ihr, sich auf die Lektüre der für das Forschungsprojekt relevanten Arbeiten zu konzentrieren und so den Rahmen für die Untersuchung abzustecken. In vielen Fällen führen enge Vorgaben zu innovativerem Denken.
MITTEL & ZWÄNGE:
Die Finanzierung und die Partner sind sowohl die Mittel als auch die Zwänge der Forschung. Sie sind die Mittel für die Durchführung der Forschung, da sie den Forscher bezahlen und die Daten für die Untersuchung liefern. Sie gelten insofern als Einschränkungen, als die Partner aus der Universität, der Industrie und der Politik sowie die zur Verfügung stehenden Finanzmittel, der Forschung Grenzen setzen können. Einige dieser Beschränkungen können sein: (1) Geld, (2) Zugang zu Daten und (3) Richtung oder Umfang des Projekts.
ANWENDUNG DER A3-VORLAGE
Wenn eine Wissenschaftlerin ihr Projekt beginnt, sollte sie ihren Forschungsplan auf der oben beschriebenen A3-Vorlage abbilden. Ziel ist es, dass die Wissenschaftlerin, ihre Berater und die Finanzierungspartner das Forschungsvorhaben aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachten. Die Ziele, Mittel und Zwänge müssen realistisch und aufeinander abgestimmt sein, damit das Forschungsprojekt durchführbar ist. Diese übergeordnete Sichtweise kann der Wissenschaftlerin helfen, erfolglose Schleifen zu vermeiden, die sich aus der Bearbeitung eines nicht durchführbaren Projekts ergeben.
Es ist verständlich, dass sich die Daten innerhalb jeder Komponente im Laufe der Zeit ändern werden. Wenn mehr Daten zur Verfügung stehen, sollte der Forscher die Komponenten der A3-Vorlage erneut überprüfen und die notwendigen Anpassungen vornehmen. Zu Beginn des Projekts sollte die Wissenschaftlerin die Daten zu jeder Komponente als Hypothesen betrachten, bis eine ausreichende Menge an Beweisen zur Verfügung steht, um die Annahmen zu bestätigen.
Für eine Wissenschaftlerin, die sich mit Lean Construction beschäftigt, bietet die A3-Vorlage Orientierung bei der Strukturierung und Organisation des Forschungsplans. Die A3-Vorlage kann dazu beitragen, die Forschungsbemühungen besser mit Beratern und anderen Beteiligten zu kommunizieren. Darüber hinaus kann die organisierte Struktur der A3-Vorlage der Wissenschaftlerin helfen, ihren Fortschritt zu verfolgen, unnötige Schleifen zu vermeiden und den Fokus auf dem Forschungsprojekt zu behalten. Jedes Forschungsprojekt ist einzigartig. Dennoch sollte der Prozess der Entwicklung eines Forschungsplans nicht jedes Mal neu erfunden werden. Der Forschungsprozess im Bereich von Lean Construction kann und sollte standardisiert werden. Die vorgeschlagene A3-Vorlage ist ein erster Schritt zur Standardisierung der Forschungsarbeit, damit wir als Gemeinschaft die Verschwendung bei diesem wichtigen Unterfangen reduzieren können. Wenn mehr Forscher diese Vorlage verwenden, werde ich sie aktualisieren, damit sie die aktuellen Best Practices widerspiegelt. Wenn Sie diese Vorlage für Ihre eigene Forschung verwenden möchten, können Sie sie hier herunterladen.
Quellen
1. Taleb, Nassim Nicholas. The black swan: The impact of the highly improbable. Random House, 2007.
2. Osterwalder, A. (2004). “The Business Model Ontology: A Proposition In A Design Science Approach”. Institut d’Informatique et Organisation. Lausanne, Switzerland, University of Lausanne, Ecole des Hautes Etudes Commerciales HEC, 173.
3. Shook (2009). “Toyota’s Secret: The A3 Report”. MIT Sloan Management Review. Accessed 6/1/2014. http://sloanreview.mit.edu/article/toyotas-secret-the-a3-report
4. Ballard, G., 2011.Target Value Design: Current Benchmark. Lean Construction Journal, pp. 79-84.
5. Kuhn, Thomas S. The Structure of Scientific Revolutions. University of Chicago press, 2012.
6. Koskela, Lauri. Application of the new production philosophy to construction. No. 72. Stanford, CA: Stanford University, 1992.
7. Järvinen, P. (2007). Action research is similar to design science.Quality & Quantity, 41(1), 37-54.
8. March, S. T., & Smith, G. F. (1995). Design and natural science research on information technology. Decision support systems, 15(4), 251-266.
9. Anderson, J. S., Morgan, J. N., & Williams, S. K. (2011). “Using Toyota's A3 Thinking for Analyzing MBA Business Cases”. Decision Sciences Journal of Innovative Education, 9(2), 275-285.
10. Blank, S., & Dorf, B. (2012). The Startup Owner's Manual. K&S; Ranch.
11. Parrish, K., Tommelein, I. D., & Ballard, G. (2009). “Use of A3 reports to focus design and construction conversations”. Building a Sustainable Future: Proceedings of the Construction Research Congress (pp. 360-9).
12. Ries, E. (2011). The Lean Startup: How Today's Entrepreneurs Use Continuous Innovation To Create Radically Successful Businesses. Random House LLC.
13. Shook, J. (2008). Managing to learn: using the A3 management process to solve 4 problems, gain agreement, mentor and lead. Lean Enterprise Institute. 
14. Simon, H. A. (1969). The Sciences of the Artificial (Vol. 136). MIT press.